"L.E.A.R freut sich mit Zwickau"

[***] Es gibt auch eine erfreulichere musikalische Nachschlag-Nachricht: Die Leitung des Zwickauer Robert-Schumann-Hauses ist seit September 2005 wieder besetzt! Ebenso wie viele andere Musikfreunde hatte sich L.EAR in der ersten Jahreshälfte 2005 darum gesorgt, dass Zwickau musikalisch Amok lief. Denn die hoch verschuldete sächsische Stadt (allen voran die mehr auf Sport und Autos abfahrende als kulturbewusste Kulturbürgermeisterin) liebäugelte allen Ernstes damit, die zuvor hochkarätig (Dr. Gerd Nauhaus) bekleidete Leitungsposition ganz oder vorübergehend nicht wieder­zu­be­setzen (siehe Tonkunst, März 2005). Das hätte die weltweit gefragte Archiv-, Museums- und Forschungsstätte „Schumann-Haus“ massiv beschädigt und den ebenfalls weit über Deutschland und Europa hinaus bekannten Robert-Schumann-Wettbewerb sowie die für die Kulturregion unverzichtbaren Zwickauer Musiktage ausgehöhlt. Ja, es hätte Zwickaus kulturelle „Zukunftsfähigkeit“ gefährdet. (Wobei L.EAR das Wort „zukunftsfähig“, genau genommen, ziemlich blöd vorkommt, da „Zukunft“ zwangsläufig kommt und es bei ihr nicht darauf ankommt, ob man „fähig“ ist sie zu erleben, sondern nur, ob und wie man sie mitgestalten kann: Nur Tote sind nicht zukunftsfähig!) National und international hätte sich aber nicht nur Zwickau selbst durch kulturelle Zukunftsdummheit blamiert, sondern auch das Land Sachsen und die Bundesrepublik Deutschland.

Und das gerade zum Schumann-Gedenkjahr 2006 (150. Todestag), in dem Leiter oder Leiterin des weltweit führenden Schumann-Archivs ohnehin genügend zu tun und zu repräsentieren hätten.


So gab es böse Artikel in überregionalen Zeitungen, Musikzeitschriften (unter anderem der Tonkunst) und Rundfunksendungen. Und natürlich böse Briefe an Zwickaus Rathaus und in Zwickaus Zeitungen. Schließlich merkten Zwickaus Ratsherren und -damen, dass sie gerade dabei waren, eine Städtepartnerschaft mit Schilda einzugehen. Und so wurde das Direktorat des Schumann-Hauses im Frühjahr 2005 doch noch (viel zu spät) ausgeschrieben. Nach einigem Hin und Her, das wohl auch eine Folge der kommunal vorgegebenen zeitlichen und finanziellen Untermotorisierung der Stelle war, konnte die Leitung mit dem in Sachen Schumann ein­schlägig qualifizierten Musikwissenschaftler Dr. Thomas Synofzik besetzt werden. Dem wünscht L.EAR viel Glück und gratuliert dreifach: dem Schumann-Haus zur neuen Leitung, Synofzik zum Schumann-Haus und Zwickaus Ratsversammlung zur späten Einsicht.

Hoffentlich gelingt es dem neuen Leiter, der unheilvollen Mischung aus kommunaler Finanzkrise und Kulturignoranz zu entkommen. Hoffentlich kann er Schumanns unverzeihliches Manko, nicht in einer wirtschaftlich-kulturell attraktiven Großstadt geboren zu sein, klug kompensieren. Hoffentlich lässt er nicht nach, maßgeblichen Entscheidungsträgern die langfristige kulturpolitische, künstlerische, wissenschaftliche und touristische Bedeutung von Zwickaus Schumann-Schätzen einzuhämmern. Und hoffentlich gelingt es ihm mit Hilfe finanziell und politisch einschlägig erfahrener Ratgeber, das vierfach wertvolle Schumann-Haus (Museum, Archiv, Forschungsstätte, Konzertort) auf eine Stiftungsbasis zu hieven. Damit die Gedenk- und Forschungsstätte nicht durch kommunale Sparpanik zur kulturellen Grabstätte wird. L.EAR hofft, Schumanns „Aufschwung“ bleibt keine „Träumerei“.


[***] L.E.A.R, in: Die Tonkunst: 1. Januar 2006, Nr. 1. Jg. 4 (2006)

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